Der Wilde Kaiser will nicht mehr (nur) zahm sein

Trailrunning in der Heimat des Bergdoktors
Die Alpen entdecken einen neuen Lieblingssport: das Trailrunning. Für viele Tourismusorte heißt es nun, keine Zeit verlieren und raus aus den Starlöchern. Deshalb soll der Bergdoktor in Tirol nun „Konkurrenz“ bekommen – ein Unterfangen das Potential hat

Zur KaffeeundKuchen-Stunde ist die Welt am Hintersteiner See noch in Ordnung. Es gibt Kännchen, und nicht nur Latte Macchiato. Die Tiroler-Idylle basiert auf traditionellen Grundwerten. Und der Herr Bergdoktor gehört mit Sicherheit dazu. Es ist eine stimmgewaltige Gruppe betagter Wanderer am Nebentisch, die deren lokalem gossip, der Doktor die Hauptrolle spielt.

Auch der Autor dieser Geschichte bleibt nicht unverschont, wird mit der Frage belächelt: „Auch mal mit dem E-Bike in den Bergen unterwegs, junger Mann?“ Ich bedanke mich für das Attribut „junger Mann“, füge jedoch hinzu, ich sei zu Fuß gekommen. Was kaum Eindruck macht, schließlich sei ja die Seerunde „ein schöner Nachmittags-Spaziergang für uns Ältere“. Ich schweige besser, und schaue auf meine Laufuhr, die für die Strecke Richtung Kaindlhütte und Scheffauer 26,5km anzeigt – dafür war ich 4,5 Stunden und 1512 Höhenmeter am Berg.

Trailrunning statt Notaufnahme
Nicht nur beim Hintersteinersee-„Kännchen“ prallen am Wilden Kaiser – die Orte Scheffau, Ellmau, Golling und Söll bilden das touristische Quartett – Welten aufeinander. Seit 2005 pflegt man hier das TV-Bergdoktor-Image – über 150 Folgen im ZDF; gerade wurde Staffel 19 gedreht. Doch nun könnte sich der Verdacht erhärten, dass bei einem weiter so der Sommertourismus altersmäßig bald Richtung emergency room driften könnte, denn primär älteres Publikum füllt die Betten. Und bestellt die Kännchen.

Im örtlichen Tourismusverband wird man jetzt mit den Augen rollen (und den Autor in Frage stellen), aber auch dort muss sich die Erkenntnis verbreitet haben: Es sollte zumindest im Sommer mal etwas frischer zu gehen. Die beste Idee in diesen Monaten: Mehr Trailrunner als coole Konkurrenz zum gediegenen Wanderpublikum.

Die Qual der Wahl
Wenn ich lese, wer alles inzwischen selbst im Flachland auf das Trailrunning setzt – auf der Insel Sylt gab es im März den North Sea Ultra über 111km, der sogar UTMB-Punkte einbrachte – wird mir fast mulmig. Da muss sich der Wilde Kaiser nun wirklich nicht verstecken, denn der hat das Potential fürs Podium, um in der sportlichen Bildsprache zu bleiben. Topografie und Natur bieten die idealen Zutaten, die ein Trailrunning-Eldorado heute haben sollte: Sanft-steil, kurz-knackig, lang-lässig, gemütlich-extrem. An diesem Berg herrscht die Qual der Wahl. Herrlich.

Die Julia von Scheffau, die kennt sich aus
Scheffau ist ein guter Ausgangspunkt für eine sportliche Annäherung. Auch weil dort, die mehr als freundliche Julia Hinterholzer ihre charmanten „Hinterholzer Apartments“ betreibt. Es ist noch eher selten, dass auch Gastgeber die Trailrunner logistsich so gut verstehen, wie die Julia. Ja, wir sind keine Wanderer. . .
https://www.pension-hinterholzer.at/startseite.html

Aus der Dorfmitte (Filmkulissen tauglich) führt der Weg nach 2 Kilometern durch das wilde, fast kanadisch wirkende Seebachtal. Am Südseite des Hintersteiner See entlang fällt der Blick über das türkisfarbene Wasser, ehe es in Ried bergauf geht. Bis zur Kafma Alm oder eine der beiden anderen Einkehrmöglichkeiten folgte der Trail Forststraßen. Nun ändert sich der Lauf und wird zu einem technisch anspruchsvollen Single-Trail bis es hinunter zur Kaindlhütte (Donnerstag geschlossen) geht, wo es sich zu entscheiden gilt: weiter rund um den Wilden Kaiser laufen – zu lang für heute; technisch extrem anspruchsvoll und felsig-steil Richtung Scheffauer Gipfel über das gesamte Bergmassiv – zu spät für heute; oder aber auf dem gleichen Trail wieder zurück Richtung Tal (wo dann die Kännchen-Clique wartet) – die beste Entscheidung, denn ein Gewitter naht. Fazit: 26km herrlicher Trail (Schwierigkeit 4 von 6).
https://www.komoot.com/de-de/tour/2357741611

Am nächsten Tag reicht mir der Blick auf den Wildern Kaiser, den ich beim Anstieg zum Brandstadl herrlich auf der anderen Talseite in der Sonne liegen sehe – ein eher leichter Trail mit guter Steigung, der teilweise über ruhige Bergstraßen (asphaltiert) führt und gute Einkehrmöglichkeiten bietet (vielleicht in der Neualm). Ideal auch für Trailrunning-Neulinge, die mal ihre Beine spüren und keine großen technischen Herausforderungen möchten. Es gilt aber für den Heimweg etwas Kraft zu sparen, denn ich rate auch den Downhill zurück ins Tal einzuplanen. Warum? Die einfache Talfahrt kostet mit der Gondelbahn stolze 27,50 Euro (wenn das der Kaiser wüsste! Das ist heute nur schwer zu akzeptieren). Fazit: 11,4 km (optischer) Talblick-Genuss (Schwierigkeit 3 von 6).
https://www.komoot.com/de-de/tour/2359806394

Dies sind nur zwei von fast 80 Strecken, die die Broschüre „Routen&Touren“ in diesem Sommer 2025 auf 250 Seiten aufführt. Auch wenn dem Trailrunning (dort) nur zwei Seiten gewidmet sind, gilt auch hier die Devise: Wanderwege sind immer auch Trailstrecken. Und so finden sich im sehr guten Online-Auftritt insgesamt 222 Routenvorschläge. Herrlicher Höhepunkt des Angebots: die fünftägige Wanderung „Kaiserkrone“ über 65 Kilometer einmal rundherum ums Massiv. Wer trainiert ist und früh aufsteht, schafft die Strecke mit 5.000 Höhenmetern locker an zwei Tagen. Aber egal wie lange es dauert, gute Übernachtungsmöglichkeiten gibt es reichlich: u.a. Stripsenjochhaus, Hintersteiner See („Kännchen“ nicht vergessen), Gaudeamushütte oder in Going. Weniger Zeit? Auf der Ellmauer Dorfrunde sind Wanderer oder Trailläufer bereits nach 1,3km wieder am Ziel.

Fazit: Es fehlt dem Wilden Kaiser noch ein wenig am wirklich wilden Trailrunning-Elan und an der Begeisterung fürs neue Publikum. Aber man ist hier auf dem richtigen Weg. Oder wie der Bergdoktor vielleicht sagen würde: Alles wird gut! – Mit Sicherheit!


Infos zu allen Orten
https://www.wilderkaiser.info

Ein Must für Läufer: 222 Strecken jeweils mit GPX-Daten oder als PDF zum Downloaden
https://www.wilderkaiser.info/de/aktivitaeten/trailrunning-am-wilden-kaiser.html

Im Rennfieber? Zwei Trail-Wettbewerbe mit Kult-Charakter
Die „Tour de Tirol“ (3 Strecken an 3 Tagen; fast schon ein Klassiker im Herbst) und dem „Kaiserkrone Trail“ (vier unterschiedliche Strecken, u.a. das extrem fordernde Skyrace; im Frühsommer) stehen für ambitionierte Sportler zur Wahl.
https://www.kaiserkrone.run
https://www.tourdetirol.com

Mehr über Trailrunning vom Experten und individuelles Training
https://www.crossthealps.at/trail-running

Quelle: eigen

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